1. 04. 2020
„Dürfen wir vorstellen? Martensius bromackerensis.“ – Neuer Ursaurier in Thüringen entdeckt
Gekrümmte Krallen an Händen und Füßen, etwas über einen Meter lang und über 290 Millionen Jahre alt: der neue Ursaurier „Martensius bromackerensis“. Ein Team von internationalen Wissenschaftlern rund um das Carnegie Museum of Natural History in Pittsburgh (USA) veröffentlicht in diesen Tagen eine Studie, in dem es die Entdeckung einer neuen Art aus der Gruppe der Caseiden bekannt gibt – einer ausgestorbenen, frühen Seitenlinie der säugetierähnlichen Reptilien.
Die neue Ursaurier-Art lebte im Unteren Perm, und damit 60 Millionen Jahre vor den ersten Dinosauriern. In der Fundstelle Bromacker, einer unscheinbaren Wiese zwischen Georgenthal und Tambach-Dietharz, wurden insgesamt vier teils vollständige Exemplare unterschiedlicher Altersstadien ausgegraben. Die ersten Skelettreste des neuen Sauriers fand der Paläontologe des Museums der Natur Gotha Dr. Thomas Martens 1994/1995. Nach ihm ist die Art als Dank für die jahrzehntelange Zusammenarbeit mit den amerikanischen Kollegen auch benannt. Er hatte bereits 1974 auf dem Bromacker den ersten Knochen gefunden und die Grabungen und Forschungen über 40 Jahre lang vorangetrieben.
2004 holte man das Typusexemplar aus der Erde: ein erwachsenes Tier mit Schädel. Dazu sagt Martens: „Man kann erst dann die Funde bearbeiten, wenn man zum Skelett einen Schädel oder zumindest aussagefähige Schädelreste gefunden hat. Die jetzige Neubeschreibung zeigt, wie wichtig kontinuierliche Grabungen sind“. Die Stiftung Schloss Friedenstein Gotha bereitet daher zusammen mit dem Museum für Naturkunde Berlin, dem Nationalen Geopark Thüringen Inselsberg-Drei Gleichen und der Universität Jena ein neues großes Forschungsprojekt vor, sodass hoffentlich bald die Grabungen fortgesetzt werden können. „Wir freuen uns sehr über die Entdeckung der neuen Art und beglückwünschen Herrn Dr. Martens ganz herzlich“, sagt Stiftungsdirektor Dr. Tobias Pfeifer-Helke, „wir hoffen, dass bald wieder auf dem Bromacker gegraben wird und noch der eine oder andere Ursaurier das Licht der modernen Welt erblickt.“
Martensius war ein außergewöhnlicher kleiner Saurier. Mindestens die Hälfte seiner Körperlänge entfiel auf den Schwanz. Er besaß auch besonders große Füße mit kräftigen Krallen an den Zehen. Bei ihrer Neubeschreibung des Tieres legten die Forscher um den amerikanischen Paläontologen David Berman aus dem Carnegie Museum, wo die Saurier-Funde präpariert und bearbeitet wurden, ein besonderes Augenmerk auf die Zähne. Ihre Form unterscheidet sich bei Jungtier und erwachsenem Tier vor allem im Unterkiefer, was auf eine Änderung der Ernährungsweise während des Wachstums hindeutet. Auf dem Speiseplan der jungen Tiere standen demnach vor allem Insekten. Die Älteren scheinen dagegen eher Pflanzen- oder Allesfresser gewesen zu sein.
„Die Caseiden sind fast ausschließlich Pflanzenfresser. Es gab bisher nur eine frühe, insektenfressende Form. Martensius füllt nun diese Lücke in der Evolution, weil diese Veränderung offenbar innerhalb seiner Art stattgefunden hat“, erläutert der Paläontologe Dr. Tom Hübner, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha und Kurator der diesjährigen Jahreshauptausstellung „Saurier – Die Erfindung der Urzeit“. In dieser Schau wird voraussichtlich ab Mitte Oktober erstmals ein Original-Skelett von Martensius zu sehen sein – zusammen mit teils vollständigen Skeletten weiterer Ursaurier.
Mit dieser neuen Entdeckung steigt die Zahl der benannten Arten früher Landwirbeltiere von der Fossillagerstätte Bromacker auf zwölf. Der Bromacker ist weltweit eine der bedeutendsten Fundstellen für diese Tiere und zeichnet ein ganzes, 290 Millionen Jahre altes Ökosystem nach. Bisher wurden Skelette so unterschiedlicher Saurier wie dem segeltragenden Fleischfresser Dimetrodon, dem Pflanzenfresser Orobates und dem kleinen, auf den Hinterbeinen rennenden Eudibamus gefunden. Und wer weiß, welche neuen Entdeckungen noch unter der Erde schlummern…