30. 04. 2018

Ein Keramik-Bazillus greift um sich – Präsentation des Katalogs „Keramische Horizonte“

Dirk Allgaier gibt es als erster zu: „Vor geraumer Zeit hat mich der Keramik-Bazillus befallen – und er hat mich nicht mehr losgelassen“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter von Arnoldsche Art Publishers am Freitagvormittag in der Loggia des Herzoglichen Museums Gotha – rechts von ihm italienische Majolika, links zeitgenössische Keramikkunst, vor ihm – ebenfalls Bazillus-Befallene: Eine von ihnen ist Marlene Jochem, Autorin des Katalogs „Keramische Horizonte – Die Sammlung der Lotte Reimers-Stiftung auf Schloss Friedenstein Gotha“. Die Publikation ist gerade erschienen und wird an diesem Tag präsentiert. Neben ihr sitzt der Bazillen-Herd, von dem aus sich das Keramikfieber seinen Weg gebahnt hat: Lotte Reimers.

Die 86-Jährige ist nicht nur eine herausragende Künstlerin mit dem Ruf einer „Grande Dame“ der westeuropäischen Keramikszene, sondern zugleich auch eine großartige Sammlerin zeitgenössischer Keramikkunst. Seit nunmehr 20 Jahren fühlt sich Lotte Reimers den breit gefächerten historischen Keramiksammlungen des Schlosses Friedenstein in Gotha eng verbunden. Der zweisprachige Katalog „Keramische Horizonte“ (Deutsch/Englisch) ist anlässlich einer Schenkung der Lotte Reimers-Stiftung an die Stiftung Schloss Friedenstein Gotha entstanden. Diese umfasst nicht nur eigene Arbeiten der Deidesheimer Künstlerin, sondern auch eine Kollektion von international bedeutenden Werken der Moderne. Insgesamt handelt es sich um mehr als 300 Werke von 115 Künstlern aus aller Welt.

17 dieser Werke hat die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Stiftung Ute Däberitz anlässlich der Katalog-Präsentation herausgesucht. Noch nie zuvor sei ihr eine Auswahl von Exponaten so schwer gefallen, sagt die Keramik-Kennerin während sie die unterschiedlichen Objekte vorstellt, die aus allen Kontinenten der Erde stammen. Da wären zum Beispiel die japanischen Keramiken „Kei/Mindscape 3 und 7“ (2014) von Ken Mihara, die sich in ihrer Form perfekt an die etwa 300 Jahre alten Röntgenmöbel direkt neben ihnen anpassen. Oder der „White Peach Boy“ von der hawaiianischen Künstlerin Esther Shimazo, der nackt in der Vitrine hockt und dem ebenfalls unbekleideten Putto auf der Majolika schräg gegenüber einen kecken Blick zuwirft. Dass ältere und moderne Objekte korrespondieren war Däberitz wichtig.

Auch Dr. Timo Trümper, Direktor Wissenschaft und Sammlungen, sagt bei seiner Begrüßung: „Die Sammlung von Lotte Reimers ergänzt auf wunderbare Weise die international renommierten Gothaer Keramikkollektionen, die aus der jahrhundertealten Sammelleidenschaft der Herzöge hervorgegangen war.“ Die 17 Keramiken, die noch bis Pfingsten in der Loggia zu sehen sein werden, sind nur ein kleiner Appetithappen auf die Sonderausstellung im kommenden Jahr, wenn die komplette Sammlung in der Säulenhalle des Herzoglichen Museums präsentiert wird (29. September 2019 bis zum 26. Januar 2020). Spätestens dann möchte Lotte Reimers wiederkommen. Sie übrigens hat sich von „einem solchen Bazillus“, dem Keramik-Bazillus, gerne befallen lassen: „Denn jetzt sitze ich hier und freue mich.“

Herzogliches Museum