4. 03. 2022

Erfolgreicher Abschluss des Pilotprojektes „Exemplarische Erschließung der Ethnographica in der Sammlung Stiftung Schloss Friedenstein Gotha“ im Rahmen des Projektes Gotha Transdigital

Erfolgreicher Abschluss des Pilotprojektes „Exemplarische Erschließung der Ethnographica in der Sammlung Stiftung Schloss Friedenstein Gotha“ im Rahmen des Projektes Gotha Transdigital

Nach eineinhalb Jahren Projektlaufzeit konnte die Stiftung Schloss Friedenstein Gotha unter Federführung von Kerstin Volker-Saad am 31. Januar 2022 die „Exemplarische Erschließung der Ethnographica in der Sammlung Schloss Friedenstein Gotha“ erfolgreich abschließen. Damit hat das Projekt Gotha Transdigital einen ersten Meilenstein erreicht.

Insgesamt wurden 996 Objekte digitalisiert. Zwischen Oktober 2021 und Januar 2022 wurden von drei Fotografen in 36 Studiotagen mehrere Tausend Fotoaufnahmen gemacht. Für die zukünftige Veröffentlichung wurden 3.887 Aufnahmen ausgewählt, d. h. zwischen drei und vier Aufnahmen pro Objekt. Der Sammlungsbereich hat durch die quantitative sowie qualitative Revision mit zahlreichen zum Teil spektakulären Entdeckungen eine erhebliche Aufwertung innerhalb des Sammlungskontextes erfahren.

Im Juli 2020 wurde damit begonnen, den Sammlungsbereich der Ethnographica erstmals seit 1975 in seiner Gesamtheit zu erfassen. Der Kernbestand von anfangs 600 erfassten Objekten erweiterte sich im Laufe der Zeit durch fachliche Zuordnungen und Neuaufnahmen auf etwa 1.300 Objekte. Als Schwierigkeit stellte sich heraus, dass die Ethnographica, d. h. Objekte mit außereuropäischer Herkunft, im Zuge von Neustrukturierungen und Neuordnungen im Laufe der Zeit auf andere Sammlungsbereiche (u. a. Kunstkammer, Ostasiatika, Aegyptica, Textilien) verteilt worden waren.
Bei der letzten Grunderfassung im Jahr 1975 wurden viele Objekte auf ihre Materialität reduziert. Informationen über ihre ursprüngliche Funktion in den Herkunftsländern, ihren Erwerb und ihre Einbettung in die herzogliche Sammlungsgeschichte waren nicht mehr oder nur noch unzureichend bekannt.

Über die intensive und systematische Arbeit durch Kerstin Volker-Saad mit historischen Quellen (u. a. Inventarbücher, Belege, Erwerbslisten) konnten im Laufe der Arbeit Objekte identifiziert und wichtige Erwerbskontexte, Sammlungskonvolute sowie die herzogliche Sammlungssystematik teilweise rekonstruiert werden. Vor allem der als Schlüsselinventar identifizierte Catalog des Kunstkabinetts, Capt. II Völkerkunde aus dem Jahr 1858 sowie die neu in die Betrachtung aufgenommenen Inventare von 1830 und zum Chinesischen Kabinett eröffneten neue Perspektiven für den ethnographischen Kernbestand.

Für Gotha Transdigital ergibt sich aus dem Pilotprojekt die wichtige Bestätigung, dass für die Digitalisierung eines Sammlungsbereiches die enge Abstimmung der verschiedenen Abteilungen essenziell ist und insbesondere die Wissenschaft und Forschung, die Sammlungsbetreuung und Restaurierung sowie die für die Digitalisierung zuständigen Mitarbeiter eng zusammenarbeiten müssen. Gerade bei einem so heterogenen Sammlungsbereich wie den Ethnographica ist viel Abstimmungsbedarf und Flexibilität gefordert. Die Herausforderungen sind neben den Kriterien für die Auswahl der Objekte für die Restaurierung und Fotografie die beständige Abstimmung der Arbeitsabläufe und die Anpassung der technischen Infrastruktur.

Digitalisierung
Neben der Erfassung jedes Objektes in der Datenbank (imdas) mit allen relevanten Daten galt es, die Objekte zu sichten, ihren Zustand zu dokumentieren und den Arbeitsaufwand für die Restauratoren einzuschätzen. Die logistische Herausforderung bestand darin, Objekte mit ähnlichen Eigenschaften und Maßen zeitlich abgestimmt restauratorisch freigeben zu können, um zeitaufwendige Umbauten im Fotostudio vermeiden zu können.
Partiell fertigten die Restauratoren für einige Objekte Präsentationshilfen oder Stellagen an, sodass auch nach ihrer Digitalisierung eine dauerhafte, auf die einzelnen Gegenstände zugeschnittene Lagerung der Objekte im Depot gewährleistet ist.

Themenbezogene Erschließung
Aus den Sammlungsbeständen wurden verschiedene Sammlungsschwerpunkte identifiziert, die in die online-Präsentation der Sammlung einfließen sollen:
1. Ethnographica in der Kunstkammer bis 1825
2. Turcica
3. Objekte von Ulrich Jasper Seetzen für das Gothaer Orientalische Museum
4. die umfangreichen Sammlungen aus Indonesien (1800 – 1900)
5. die Präsentation der Sammlung von Herzog Alfred nebst kolonialen Inszenierungen bis 1918 auf der Wachsenburg.

Provenienzrecherche und kolonialer Kontext
Die Klärung der Provenienzen der ethnographischen Objekte ist nicht nur ein wichtiges Element der Objektbiographie, sondern auch eine wichtige Voraussetzung, um einen möglichen kolonialen Kontext zu identifizieren und, in einem zweiten Schritt, für eine spätere Kontaktaufnahme zu Expert*innen aus den regionalen Herkunftsgesellschaften.

In den Inventarbüchern gibt es textliche Hinweise, dass Objekte als Trophäen in kolonialen Kontexten erworben wurden. Einigen dieser Einträge konnten bisher keine Objekte zugeordnet werden, möglich wäre etwa eine kriegsbedingte Verlagerung, bei anderen bestehen Zweifel an der Zuordnung. Hier sind weitere Forschungsarbeiten notwendig.

EthnologieGotha transdigital 2027