28. 11. 2016
Fliegende Blätter und neue Drucke: Projektgruppe Reformationsgeschichte präsentiert Katalog
Die Projektgruppe Reformationsgeschichte (PRG) hat heute auf Schloss Friedenstein ein schwer wiegendes Ergebnis (6,5 kg) vorgestellt: den Katalog „Fliegende Blätter – Die Sammlung der Einblattholzschnitte des 15. und 16. Jahrhunderts der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha“. Ebenfalls zwei neu erworbene Einblattdrucke konnte die Stiftung zeigen.
In zwei Bänden präsentieren die Autoren erstmals die Gothaer Sammlung von Einblattholzschnitten des 15. und 16. Jahrhunderts in ihrem gesamten Umfang der Öffentlichkeit. Mit ihren Transkriptionen und Beschreibungen haben Bernd Schäfer (Direktor Wissenschaft und Sammlungen, SSFG), Matthias Rekow (Doktorand am Lehrstuhl für Geschichte und Kulturen der Räume in der Neuzeit, Universität Erfurt) und besonders Ulrike Eydinger (Wissenschaftliche Mitarbeiterin PRG) unter Berücksichtigung der neuesten Ergebnisse der Flugblattforschung einen Zugang zu einzigartigen Dokumenten der frühneuzeitlichen medialen Vermittlung geschaffen und der Wissenschaft zugänglich gemacht.
Der Triumphzug des Kaisers, die Taufe Christi, mumifizierte Personen von der Insel Gran Canaria oder auch eine Schweinefamilie am Unflathaufen – das Themenspektrum der Flugblätter ist groß. Sie gewähren dem Betrachter einen genauen und bisweilen durchaus amüsanten Einblick in die Glaubens- und Lebenswelt der frühen Neuzeit. Zeitlich und inhaltlich stehen fast alle Einblattdrucke im Zusammenhang mit der Reformation. Die rund 700 Flugblätter entstanden zwischen 1480 und 1599. Gefertigt wurden sie von namhaften Künstlern wie Hans Sebald Beham, Lucas Cranach d. Ä., Lucas Cranach d. J., Albrecht Dürer, Michael Ostendorfer, Georg Pencz und Niklas Stör.
Die Einblattdrucke werden im Kupferstichkabinett der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha aufbewahrt. Bereits in den Inventaren der Kunstkammer Herzog Ernsts I. von Sachsen-Gotha-Altenburg finden sich Hinweise auf die Sammlung. Während die Werke heute als Einzelblätter konserviert werden, waren sie bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts in zwei Bänden mit 363 bzw. 324 Blatt zusammengebunden. Doch die Kollektion ist nicht mehr vollständig. In den 1920er und 1930er Jahren wurden erste Blätter über den Kunsthandel veräußert. In den Wirren des Zweiten Weltkriegs gingen mutmaßlich weitere Drucke verloren; der zusammenhängende größere Teil der Sammlung gelangte in die Sowjetunion und wurde später restituiert. Eine detaillierte Verlustdokumentation wird zur Zeit noch erarbeitet.
Der Bestandskatalog ist neben Ausstellungen, Workshops im Rahmen des „Netzwerks Reformationsforschung in Thüringen“ und Fachtagungen nur ein Ergebnis der vierjährigen Arbeit der Projektgruppe Reformationsgeschichte. Sie hat sich 2012 als Zusammenschluss der Friedrich-Schiller-Universität Jena unter Leitung des dortigen Lehrstuhlinhabers für Kirchengeschichte, Prof. Dr. Christopher Spehr, der zur Universität Erfurt gehörenden Forschungsbibliothek Gotha mit Dr. Kathrin Paasch und der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha mit Prof. Dr. Martin Eberle gebildet. Die Projektgruppe wird vom Freistaat Thüringen im Rahmen der Lutherdekade finanziert. Unterstützt wurde das Projekt darüber hinaus von der Ernst von Siemens Kunststiftung, die den Bestandskatalog finanziert hat.
Die Stiftung Schloss Friedenstein Gotha hat heute außerdem zwei Neuerwerbungen vorstellen können. Es handelt sich um zwei bedeutende, kolorierte Einblattdrucke, die Kaiser Maximilian II. (1527 – 1576) und seine Gemahlin zeigen. Die Blätter entstanden 1574 in der Druckwerkstatt von Hans Schultes in Augsburg. Vermutlich wurden die Werke zwei Jahre später, nach dem Tod des Kaisers, dunkel koloriert, um auf seinen Tod hinzuweisen. Die beiden Einblattdrucke konnten dank der finanziellen Unterstützung der Fielmann AG erworben werden und ergänzen den bereits vorhandenen Bestand an illustrierten Einblattdrucken des 16. Jahrhunderts der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha auf hervorragende Weise.